Amyotrophe Lateralsklerose (ALS)

Definition:

Die amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist

- eine progrediente (= fortschreitende)

- degenerative (= durch Zelluntergang bedingte)

- motorische (= das Fortbewegungssystem betreffende)

Erkrankung.

Die ALS ist nicht zu verwechseln mit der Multiplen Sklerose (MS). Trotz ähnlich klingendem Namen handelt sich um zwei grundverschiedene Erkrankungen.

Bei der ALS handelt es sich um eine nicht ansteckende Erkrankung, die sowohl die zentralen als auch die peripheren motorischen Nervenzellen (sog. Motoneurone, die für die Muskelbewegungen verantwortlich sind (lat. motor= Beweger, Neuron = Nervenzelle) befällt. Wenn das periphere Neuron betroffen ist, dominieren Muskelschwäche, Muskelschwund (Atrophie) und häufig Muskelzuckungen (Faszikulation), sowie Muskelkrämpfe. Der Verlust des zentralen Neurons führt zu Muskelsteife (Spastik), Muskelverspannungen und Muskelschwäche.

Die ALS betrifft ausschließlich das motorische Nervensystem. Die Empfindung für Berührung, Schmerz und Temperatur, das Sehen, Hören, Riechen und Schmecken, die Funktionen von Blase und Darm, sowie die Sexualfunktionen, als auch die Augenmuskeln bleiben in den meisten Fällen normal.

Die amyotrophe Lateralsklerose beginnt meist einseitig, lokal mit einer Schwäche, am häufigsten am Unterarm und Handbereich, oder an der Unterschenkel- und Fußmuskulatur, seltener als Erstes an der Sprech-, Kau- und Schluckmuskulatur.

Vorkommen und Häufigkeit:

Die ALS kommt in der ganzen Welt vor. Die jährliche Inzidenz (Neuerkrankungsrate) liegt weltweit bei 0,6 – 2,4 Personen von 100.000 Einwohnern. Die Häufigkeit des Auftretens nimmt im Alter zu. Etwa 80% der Fälle beginnen zwischen dem 50. -70. Lebensjahr.

Diagnostik:

Zuständig für die Diagnosestellung ist der Neurologe (Nervenfacharzt). Die ausführliche Diagnostik umfasst folgende Bereiche:

- Anamnese (Schilderung der Entwicklung der Funktionsstörungen durch den Patienten und Angehörige)

- ausführliche körperlich-neurologische Untersuchung (Überprüfung der Muskulatur im Hinblick auf Muskelschwund und Kraft sowie Faszikulationen (Muskelzuckungen), eine Beurteilung von Sprache, Schluckakt und Atemfunktion, sowie die Überprüfung der Reflexe)

- apparative Zusatzuntersuchungen (z. B. Messung der NervenLeitgeschwindigkeit (NLG) und der Muskelströme (EMG), sowie das Erstellen von Schnittbildern des Gehirns und der Halswirbelsäule (MRT) und die Lumbalpunktion zur Entnahme von Liquor (Gehirn- und Rückenmarkflüssigkeit).

Symptome:

Der Beginn einer ALS bleibt oft unbemerkt uns ist schwierig festzustellen. Die Krankheit kann schon Monate oder sogar Jahre vorhanden sein, bevor der Patient einen Arzt aufsucht. Als erste ALS-Symptome können Ermüdbarkeit, Verlust von Ausdauer, Steifheit in den Beinen, Zucken in den Muskeln, Muskelkrämpfe und Stimmprobleme auftreten. Mit dem Fortschreiten der Krankheit verstärkt sich die Schwäche in Armen und Beinen. Häusliche Verrichtungen (z.B. wie das Rasieren, Schreiben, Reißverschluss schließen, Knöpfe öffnen) werden mühsamer, das Gehen wird erschwert und es treten Sprech- und Schluckstörungen auf. Typischerweise wirkt sich die ALS im weiteren Krankheitsverlauf auf alle Muskelgruppen einschließlich der Atemmuskulatur aus, sodass es zur Atemnot kommt. Schmerzen treten meist erst bei einem deutlichen Muskelschwund auf. In der Regel schreitet die Krankheit über Jahre gleichmäßig langsam fort, dehnt sich auf weitere Körperregionen aus und verkürzt die Lebenserwartung. Sehr langsame Verläufe über 10 Jahre und mehr sind jedoch bekannt.

Weitere Symptome im Verlauf der Erkrankung:

- zunehmende Muskelschwäche

- Muskelschwund/ Atrophie

- Muskelzuckungen, sog. Faszikulationen

- gleichzeitiges Auftreten von Zeichen einer schlaffen und einer spastischen Lähmung

- Kontrollverlust beim Lachen, Weinen oder Gähnen (Affektlabilität)

- vermehrter Speichelfluss

- Störungen des Sprechens

- Schluckstörungen bis zur Unfähigkeit Nahrung und Flüssigkeiten oral aufzunehmen

- Atemnot

- Schmerzen (wenn sich die Schwäche der Muskulatur auf die Gelenke auswirkt)

Ursachen der Erkrankung:

Die Ursachen sind ungeklärt. Es gibt Vermutungen über eine Störung des Immunsystems und Diskussionen um die Möglichkeit einer Viruserkrankung. Es gibt Hinweise, dass bei ALS der Stoffwechsel des wichtigsten erregenden Überträgerstoffes im Nervensystem, des Glutamats, verändert ist. Sichere Aussagen sind aber derzeit nicht möglich. Genetische Ursachen werden ebenfalls diskutiert. Fälle von ALS in der Verwandtschaft fanden sich bei weniger als 10% der Patienten.

Therapie und Rehabilitation:

Ziele: Verbesserung und Erhalt der Selbständigkeit, der Beweglichkeit und Selbstversorgung, sowie der Teilhabe am sozialen Leben.

Ambulante Therapie wie Krankengymnastik, Ergotherapie und Logopädie sind notwendig zum Aufrechterhalten der vorhandenen Fähigkeiten. Stationäre Behandlungsmaßnahmen mit einer Dauer von ca. 4-6 Wochen sind dringend zu empfehlen, um durch intensive, hochfrequente Therapie den Krankheitsverlauf günstig zu beeinflussen. Zur Behandlung der Schwäche der Muskulatur ist die Medizin sich noch nicht einig, ob sich Muskeltraining günstig oder ungünstig auf den Krankheitsverlauf auswirkt. Einige Patienten konnten durch Training ihre Kraft um bis zu 20% steigern, bei anderen Patienten hatte das Training gar keinen Nutzen oder führte zu einer Schwäche durch Überbelastung. Das Risiko einer verstärkten Schwäche durch zu intensives Training ist groß. Daher sollte das Training bei diesen Patienten mehr mit dem Ziel der Funktionsverbesserung, als mit dem Ziel der Kräftigung erfolgen, bei Anzeichen von Überbelastung muss das Training dringend reduziert werden. Positive Auswirkungen mäßiger sportlicher Betätigungen wie Schwimmen oder Gehen können sein: Besserung der körperlichen Leistungsfähigkeit, Halten des Körpergewichts, Minderung von Schmerzen durch Fehlbelastungen und Besserung depressiver Verstimmungen.

Krankengymnastik:

Die Krankengymnastik dient dem Erhalt der Kraft bzw. der Kräftigung, der Funktionsverbesserung und –erhaltung, der Optimierung der Koordination. Z.B. Verbesserung der Ausdauer, Durchblutung und des Stoffwechsels. Auch bei Störungen der Lungenfunktion ist Krankengymnastik notwendig, einerseits zum Training der entsprechenden Muskulatur, andererseits zum Erleichtern des Abhustens.

Ergotherapie:

Die Ergotherapie hat ähnliche Ansätze wie die Krankengymnastik, legt ihren Schwerpunkt aber auf die Bereiche Arme und Rumpf. Auch das Beüben alltagsrelevanter Aufgaben, sowie die Versorgung mit Hilfsmitteln wie z.B. Rollstühlen und Greifzangen stellen wichtige Bereiche dar.

Physikalische Therapie:

- verschiedene Formen der Massage

- Wärme- und Kältetherapie

- Elektrotherapie (nur sinnvoll in Verbindung mit Krankengymnastik)

Logopädie:

Bei der ALS kann es zu Dysarthrien (Sprechstörungen), bedingt durch Schwächen der am Sprechvorgang beteiligten Muskulatur und Störungen des Schluckens kommen. Beides sind Arbeitsbereiche des Logopäden. Kann durch gezieltes Training keine Verbesserung des Sprechens erreicht werden, können Kommunikationsgeräte ausprobiert werden. Bei der funktionellen Schlucktherapie wird eine Verbesserung oder Kompensation gestörter Funktionen angestrebt. Die Restitution (Wiederherstellung) wird durch Verfahren mit Dehnung, leichter manueller Berührung, Druck, Tapping und anderen Reizen erreicht. Die kompensatorischen Verfahren beziehen sich auf diätische Maßnahmen, das Andicken von Flüssigkeiten und Bereiten leicht zu schluckender Speisen sind wichtige Hilfen, kontrollierte Platzierung der Nahrung im Mund, Änderung der Kopf- und Körperposition und besondere Schlucktechniken wie das Mendelsohn Manöver oder das supraglottische Schlucken. Ist das Schlucken nicht mehr ausreichend möglich wird eine PEG (perkutane endoskopische Gastronomie) notwendig.

Psychologie:

Oft werden bei Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen depressive Störungen beobachtet. Ursache ist häufig die Verarbeitung der Erkrankung, oft sind es auch Probleme der sozialen Integration und des Erhalts des Arbeitsplatzes. Die Krankheitsverarbeitung spielt bei allen Erkrankungen eine wichtige Rolle, insbesondere bei chronisch fortschreitenden Erkrankungen. Denn nur mit einer konstruktiven Einstellung kann der Patient optimal bei der Behandlung mithelfen. Gesprächsgruppen oder psychologische Einzelbehandlungen können hier sinnvoll sein.

Quellen:
http://www.dgm.org/muskelerkrankungen/amyotrophe-lateralsklerose-als
http://www.amyotrophische-lateralsklerose.de/

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>